Wie man sich als Küchenmagd in einem englischen Herrenhaus,
als Polizeibeamter auf Verbrecherjagd während der roaring twenties oder als Tuchhändler
von Edward II. fühlt, spürte ich durch historische Romane und wurde durch ihre
Buchstaben in fremde Welten gesogen. Durch sie wurden die Geschichten von
Bauern, Monarchen und ganzen Staaten für mich bunt. Zwar gibt es auch bei historischen
Romanen wie in jeder Buchgattung ein paar weniger gut geratene, in denen sich Prinz
und Prinzessin bloß in kitschiger Weise an den Hals werfen, doch die meisten
erwecken die Vergangenheit wirklich zum Leben.
Drei meiner absoluten Lieblingsbücher sind historische
Romane.
1. Der König der purpurnen Stadt von Rebecca Gablé
Jede Geschichte von Rebecca Gablé ist vielschichtig und
lebendig. Auch wenn ich den Weg eines jeden ihrer Helden gerne verfolgt habe,
hat Jonah Durham einen besonders betuchten Platz in meinem Herzen. Man
begleitet seinen Aufstieg von einem einfachen, von seinem Cousin drangsalierten
Kaufmannslehrling zu einem der einflussreichsten Tuchhändler und Berater des
englischen Königs. Jonah lebt in einer Gesellschaft, in der die Gegensätze von
Reichtum und Armut extrem sind, es aber nichtsdestotrotz leicht zum Übergang von
einem ins andere Extrem kommt und sich auch Jonah am Königshof und im Gefängnis
bewegt.
Der König der purpurnen Stadt erzählt von authentischen
Personen aus allen Berufsgruppen und sozialen Ständen. Das Buch handelt von den
Entscheidungen, die man in Liebe, Freundschaft und Karriere treffen muss und
die auch heute nachfühlbar sind. Rebecca Gablé lockt einen durch ihre Worte in
die farbenprächtige Welt des englischen Mittelalters und lässt einen großherzige,
listige, ehrgeizige und mutige Menschen treffen, die man auch noch nach dem
Zuschlagen der Seiten mit sich trägt und man gerne ein zweites, drittes und
zehntes Mal besuchen kommt.
2. Jahrhundert-Trilogie von Ken Follett
Wenn auch das englische Mittelalter sich im heutigen Leben nicht direkt widerspiegelt,
braucht man nur mit offenen Augen durch die Städte laufen, um die Schrammen und
Kratzer des 19.Jahrhunderts mit all seinen heißen und kalten Kriegen auf den
Bauwerken zu sehen. Dieses Jahrhundert war so gefüllt von Grausamkeiten, rasantem
wissenschaftlichem Fortschritt und Mauern, die durch Länder, Städte und Köpfen
gebaut worden sind. Wie all dies
entstanden ist und sich entwickelt hat, kann man in Geschichtsbüchern und
Museen lernen.
Komme ich auf diese Weise mit geschichtlichen Ereignissen in
Kontakt, bleiben die Ereignisse oft in meinen Gedanken hängen und beschäftigen
mich rational. Im Nachhinein mögen es Staaten sein, die handeln, Kriege führen
und Verträge schließen. Doch was ist mit den einzelnen Menschen der Zeit? Wer
hat Entscheidungen mitgetragen, ein Gewehrzug abgedrückt und eine Hand in
friedlicher Absicht ausgestreckt und was waren seine Gründe?
Ken Folletts Protagonisten sind Adelige und Diener, Spione
und Soldaten, Mütter und Söhne. Sie stammen aus Deutschland, Großbritannien,
den USA und Russland und machen durch ihre individuellen Erlebnisse auch die
Entscheidungen ihrer Nationen nachvollziehbar. Oftmals sind sie bei den
wichtigsten Momenten der Weltgeschichte beteiligt und geben selbst oft Anstoß
zu großen Entwicklungen.
Auf einmal sieht man nicht mehr nur die Schlachtfelder, Friedensmärsche
und geheimen Regierungssitzungen der vergangenen Jahrzehnte, sondern spürt auch
all die sie begleitenden Emotionen. Das abstrakte Faktenwissen, das ich bereits
über das 19.Jahrhundert mehr oder weniger genau besaß, wurde überspült von
Zorn, Hoffnung, Ungewissheit, Schmerz und Freude. Nach drei Romanen hat man
dieses Jahrhundert ein gutes Stück mehr erfahren und emotional erfasst.
3. Der nasse Fisch von Volker Kutscher
Meine Abschlussempfehlung bildet Der nasse Fisch von Volker
Kutscher, ein Kriminalroman für alle Krimiliebhaber. Im Berlin der zwanziger Jahre versucht der aus
Köln in die Hauptstadt versetzte Gereon Roth einen Mordfall zu lösen und
ermittelt dabei in den berüchtigten Nachtklubs, Berliner Hinterhöfen und sogar
in seinem eigenen Keller auf der Such nach einem mysteriösen Russen.
Während Kommissar Rath in der Stadt unterwegs ist, spürt man
ihren Puls durch das Papier, ein schnelles, adrenalingeladenes Pochen. Die
Ordnung der Kaiserjahre ist vorbei, die Gegenwart fragil und umkämpft. So ist
nicht nur der zu lösende Mordfall fesselnd, sondern auch die gesellschaftlichen
Umbrüche ziehen einen in ihren Bann.
Auch dieses Buch öffnet das Fenster in die Vergangenheit und
ermöglicht einen Einblick in die Berliner Polizei, die sich hastig wandelnde
moderne Großstadt und ihre ideologischen Kämpfe. Und erneut hat man als Leser
am Ende nicht mehr Fakten, sondern besonders das Zeitgefühl in sich aufgesogen.
Habt Ihr auch Bücher, die Euch durch die Zeit tragen?
Alles Liebe
Eure Juli